Zweieinhalb Jahre haben Elisa Kriege und Lars Sychla die ERNST! (Schule am Ernst-Reuter-Platz) vom Projektstart an als Bildungsbuddies unterstützt und durften dafür kostenfrei im Studierendenhaus wohnen. Das Projekt ist eine Kooperation unseres Netzwerks, der ERNST!, der Dieckell Stiftung, der StäWog, der Hochschule Bremerhaven und des Studierendenwerks Bremen. Die Bildungsbuddies funktionieren als Vorbilder, unterstützen die Jugendlichen beim Lernen und gestalten gemeinsam mit ihnen die Freizeit. Die Welt der Schülerinnen und Schüler wird damit größer – ebenso wie die Welt der Bildungsbuddies. Beim Abschlussgespräch mit Schulleiterin Nicole Wind und Projektbegleiterin Marion Oehmsen erzählen Elisa Kriege und Lars Sychla von ihren Erfahrungen, ihrer Entwicklung und ihren nächsten Schritten im Leben.
Vom Privatgymnasium zur ERNST!
Elisa Kriege hat ein Privatgymnasium in Münster besucht, bevor sie zum Studium nach Bremerhaven kam. Deshalb war sie ganz froh, dass das Projekt Bildungsbuddies im Frühjahr 2020 langsam begann: Man traf sich draußen und in kleinen Gruppen. „Es war ein guter Einstieg für mich, den krassen Unterschied langsam kennenzulernen“, erzählt sie. Dank der kleinen Gruppen findet sie schnell den Einstieg und merkt nach wenigen Tagen, dass sie gut zurecht kommt. „Die kleinen Gruppen sind auch deshalb so wertvoll, weil man die Kinder ganz anders kennenlernt als in der Klasse“, berichtet sie. Sie hat festgestellt, dass es beim Setzen von Grenzen darauf ankommt, denn Sinn der Grenze zu erklären, damit die Kinder sie besser annehmen. Fortschritte bei „ihren“ Kindern hat sie auch bemerkt und erklärt es an einem Beispiel: „Beim Backen läuft alles einfacher. Die Kinder sind umsichtiger geworden, hören schneller und es wird getan, was zu tun ist.“ Also nicht nur Backen, sondern auch Aufräumen und Putzen; so bekommen sie einen Überblick, welche Arbeitsschritte alle zu einer Tätigkeit gehören.
Die Grenze der Höflichkeit
Auch Lars Sychla kommt aus einer höflichen, netten Welt. „Die Teilnahme am Projekt war ein wichtiger Schritt für mich“, berichtet er. Hier war es notwendig, auch mal Kontra zu geben und Grenzen zu setzen. Seine Erkenntnis: „Man ist nicht gleich der Buhmann, weil man etwas gesagt hat.“ Ganz im Gegenteil: „Die Kids brauchen die Klarheit.“ Nicole Wind fügt an: „Klassen verhalten sich nicht anders als das Kollegium. Erwachsene sind in Gruppen nicht anders, auch da muss man Grenzen setzen können.“ So wie eben überall im Berufsleben und manchmal auch im Privatleben.
Lars Sychla erzählt, er habe sich am Anfang viel gefallen lassen und im Laufe der Zeit viel über sich gelernt, aber auch geschaut, wie die Lehrkräfte damit umgehen und sich seinen eigenen Weg gesucht. Denn das ist ein wichtiger Punkt beim Projekt Bildungsbuddies: „Wir wollen bewusst nichts vorgeben. Jeder hat ein eigenes Gespür, was für den Schüler vor ihm richtig ist“, sagt Marion Oehmsen.
Was er gelernt hat, weiß Lars Sychla, doch was er (abgesehen von handwerklichen Fähigkeiten) weitergegeben und bewirkt hat, kann er nicht einschätzen: „Das wird man vielleicht in zehn Jahren sehen.“
Projekte der Bildungsbuddies
Zu den „kleineren“ Projekten wie gemeinsamen Backen, Ausflügen und Begleitung des Unterrichts hat jeder Bildungsbuddie den Jugendlichen ein eigenes Projekt angeboten. Mit Elisa Kringe haben die Schüler und Schülerinnen Videos für TikTok gedreht; Lars Sychla hat eine Fahrradwerkstatt eingerichtet. In der Werkstatt zeigte sich auch, wie gut es den Jugendlichen tun kann, wenn sie auf jemanden stoßen, der ihnen unvoreingenommen unter neuen Bedingungen und außerhalb der Unterrichtssituation begegnet. So wusste Lars Sychla nicht, dass einer der Jungs als „verhaltensoriginell“ galt. Da der Junge sein eigenes Rad mit zur Werkstatt brachte und somit ein hohes Interesse an der Teilnahme hatte, fügte er sich gut ein.
Als gemeinsames Projekt haben die beiden mit Schülerinnen und Schülern an einen alten Bauwagen herumgewerkelt. Wie der Bauwagen letztendlich genutzt wird, ist noch nicht klar, doch wie so oft gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel. Alle Beteiligten lernen dabei und die gemeinsame Arbeit gefällt den Schülern und Schülerinnen so gut, dass sie bei jeder Gelegenheit fragen, wann es wieder zum Bauwagen geht, und dort auch beim Basteln die Zeit vergessen.
Der Dank geht in beide Richtungen
Mit einem Geschenk und einem Zertifikat, das die Unterstützung der Bildungsbuddies beim Lernen und der Freizeitgestaltung bescheinigt, verabschieden sich Marion Oehmsen und Nicole Wind von den Bildungsbuddies und wünschen ihnen alles Gute für die Zukunft. „Danke, dass ihr die Kids so genommen habt, wie sie sind“, sagt Nicole Wind.
Doch der Dank geht nicht nur in eine Richtung: Elisa Kriege und Lars Sychla bedanken sich mit einem Blumenstrauß für die vielen Möglichkeiten und Erfahrungen, die ihnen in dem Projekt geboten wurden, ebenso für die Freiheiten in ihrem Tun und dabei, sich selbst kennenzulernen.
Und so geht’s weiter
Lars Sychla hat sein Studium im Fach „Integrated Safety and Security Management“ abgeschlossen und ist nach Bonn gezogen, wo er sich ab Oktober bei der Post um die nationale Sicherheit kümmert. Elisa Kriege geht nun ins Praktikum und wird sich danach auf ihren Bachelor im Bereich „Biotechnologie der maritimen Ressourcen“ konzentrieren. Sie ist froh, dass sie „in dem tollen Studierendenwohnheim“ bleiben kann, nur jetzt in einer selbst gemieteten Wohnung.
Nicole Wind und Marion Oehmsen führen bereits Bewerbungsgespräche, damit baldmöglichst wieder sieben Bildungsbuddies in der ERNST! im Einsatz sind. Denn: „Die Kinder an der ERNST! sind Teil dieser Gesellschaft und sie haben ein Anrecht darauf, möglichst viel zu lernen und mitgenommen zu werden.“
Text und Fotos Janina Berger