Einwanderer Mehmet Özkisi vor dem Auswandererdenkmal in seiner neuen Heimat Bremerhaven.

Einwanderer Mehmet Özkisi vor dem Auswandererdenkmal in seiner neuen Heimat Bremerhaven. (Foto: Janina Berger)

Seit vier Jahren gibt es in unserem Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft das Projekt Bildungsbuddies und so lange ist auch Mehmet Özkisi dabei gewesen. Nun möchte er bald selbst wieder unterrichten – wie er es einst in der Türkei getan hat. Zum Abschluss berichtet er über seine Erlebnisse als Bildungsbuddy und wie ihm sein Migrationshintergrund dabei geholfen hat.

Was sind Bildungsbuddies?

„Es ist ein Projekt, das beiden Seiten hilft“, sagt Projektkoordinatorin Marion Oehmsen. Auf der einen Seite die Studentinnen und Studenten, die die Möglichkeit haben, kostenfrei im Studierendenhaus zu wohnen, wenn sie im Gegenzug Zeit mit den Schülerinnen und Schülern der Schule am Ernst-Reuter-Platz (ERNST!) verbringen. Für die Studierenden ergibt sich oft ein weiterer Gewinn: Durch den Umgang mit den Jugendlichen lernen sie eine Welt kennen, die sich oft von ihrer eigenen unterscheidet, sie treffen auf neue Herausforderungen und entwickeln ihre Persönlichkeit weiter.
Auf der anderen Seite hilft es den Jugendlichen an der ERNST!, die in den Bildungsbuddies ein Vorbild haben und gleichzeitig eine erwachsene Ansprechperson außerhalb der Familie und der Lehrerschaft.

Ein Lehrer will wieder Lehrer werden

Mit 47 Jahren ist Mehmet Özkisi nicht im üblichen Alter eines Bildungsbuddies. Auch bringt er mehr Erfahrung als üblich mit. In der Türkei war er Lehrer und stellvertretender Schulleiter, bis er beschloss, nach Deutschland zu kommen. Dass er über das Projekt unseres Netzwerks die Möglichkeit hatte, während seines Studiums im Studierendenhaus zu wohnen und die Schüler und Schülerinnen der ERNST! zu unterstützen, war ein Gewinn für ihn. „Es hat viel Spaß gemacht und ich habe viel gelernt“, berichtet er. Die Arbeit mit Kindern mag er ohnehin und so war er seinem eigentlichen Beruf schon nah, während er darauf hinarbeitet, ihn wieder auszuüben. Auch für seine Deutschkenntnisse war der häufige Kontakt mit Menschen nützlich.

Erfahrungen begleiten

„Jedes Kind ist wie eine eigene Welt“, sagt Mehmet Özkisi. Auf jedes Kind müsse man anders zugehen, um ihm zu helfen, seine Gefühle und Pläne zu entwickeln. „Ich wollte, dass sie selbst entscheiden“, erklärt er. Es gehe nicht darum, den Jugendlichen zu sagen, welchen Job sie machen sollen, sondern sie zu ermutigen, viel auszuprobieren. „Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen“, sagt Mehmet Özkisi und hat manchmal auch von seinen Erfahrungen erzählt, damit die Welt der Jugendlichen größer wird und sie auch das bei ihren Entscheidungen einfließen lassen können. Mehmet Özkisi gibt ihnen den Raum zur Entwicklung und hilft, wenn die Jugendlichen etwas brauchen.

Hilfe beim Wertewandel

Es kann jedoch auch vorkommen, dass Mehmet Özkisi in die Entwicklung eines Jugendlichen eingreift, wenn er sieht, dass sich etwas nicht gut entwickelt. Auf die Frage, ob er etwas bewirkt hat, fällt ihm sofort ein syrischer Junge ein. „Er hat noch syrisch gedacht und war der Meinung, er könnte hier einfach so weiterleben wie zuvor in Syrien. Mit den Werten von dort.“ Es war nicht einfach, aber schließlich dringt Mehmet Özkisi zu ihm durch und der Junge versteht, dass es so nicht geht und es in Deutschland andere Werte gibt, an die er sich anpassen muss. Es hat die Gespräche erleichtert, dass Mehmet Özkisi und der Junge einen ähnlichen Hintergrund haben: Beide sind Kurden und wohnten früher nicht weit voneinander entfernt, obwohl eine Staatsgrenze und ein Minenfeld dazwischen lagen.

Nicole Wind (links) und Marion Oehmsen bedanken sich bei Bildungsbuddy Mehmet Özkisi für die jahrelange Unterstützung.

Nicole Wind (links) und Marion Oehmsen bedanken sich bei Bildungsbuddy Mehmet Özkisi für die jahrelange Unterstützung. (Foto: Schule am Ernst-Reuter-Platz)

Freiheit in Deutschland

Mehmet Özkisi fiel die Anpassung an die europäische Kultur sehr leicht. Im Studium seiner Lehrfächer Geografie und Geschichte hat er sie kennengelernt und ist genau deshalb hergekommen, weil ihm Demokratie und Menschenrechte wichtig sind. In der Türkei hat er nach den europäischen Werten gelebt und das war das Problem. Er konnte nicht frei sprechen, denn seine Vorstellungen entsprachen nicht den Vorgaben. Für einen Lehrer, der vor einer Klasse steht, ist das auf Dauer eine gefährliche Situation. „In Deutschland habe ich mich zum ersten Mal frei gefühlt“, erzählt Mehmet Özkisi – und die Begeisterung darüber leuchtet in seinen Augen.

Und weiter geht’s!

Mit Beendigung des Studiums ist auch die Zeit als Bildungsbuddy für Mehmet Özkisi vorbei. Mit Unterstützung der STÄWOG konnte er schnell eine Unterkunft in Bremerhaven finden, in der er die nächsten Schritte angeht. Mehmet Özkisi hat Deutschkenntnisse auf Stufe C1 und sitzt jetzt an seiner Hausarbeit, um mit dem Anpassungsstudium die Diplomanerkennung zu erwerben. Das Thema seiner Hausarbeit ist die Masseveränderung in der Nordsee, die er ja nun vor der Haustür hat. Anschließend möchte er natürlich wieder seinen Beruf ausüben und an einer Schule Geografie und Geschichte unterrichten.

Bildungsbuddy gesucht

Nun ist ein Platz im Studierendenhaus für einen neuen Bildungsbuddy freigeworden. Um wieder alle sieben Plätze besetzen zu können, wird ein neuer Bildungsbuddy gesucht. Die Voraussetzungen sind ein Studium und der Wunsch, die Jugendlichen der Schule ERNST! zu unterstützen. Im Gegenzug wohnt man mietfrei im Studierendenhaus.

Wer Interesse hat, kann sich bei Projektkoordinatorin Marion Oehmsen melden:

Mail: oehmsen.marion@web.de
Mobil: 0174 – 37 23 148

Text: Janina Berger

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